Ein Kompliment

Wir alle sehnen uns nach ihnen: Worte der Anerkennung und Wertschätzung. Komplimente streicheln unsere Seele, wirken motivierend und stärken unsere Beziehungen. Nicht nur am 1. März, dem „Welttag der Komplimente“ …

Zur Einstimmung auf das Thema eine kleine Geschichte: Eine junge Frau trifft auf ein älteres Paar und macht ihm das Kompliment, dass es noch immer wie frisch verliebt aussieht. Die beiden erzählen ihr, sie hätten sich im Altersheim kennengelernt. Er sagt: „Dort helfen hübsche Schwestern aus Afrika aus.“ Daraufhin schaut seine Partnerin ihn schief an. Er: „Die sind hübsch, aber du, du bist schön.“ Wow!

Von einer, die auszog, Komplimente zu machen

Erlebt hat diese Geschichte die junge Rosa Stark. Im Juni 2014 zog die Berliner Philosophie- und Psychologiestudentin aus, um „mehr Gefühl in diese Welt zu bringen“. Das Experiment: ein Jahr lang wildfremden Menschen ein Kompliment machen. Ihre Erfahrungen hat sie in dem englischsprachigen Blog „A Compliment A Day“ beschrieben. Ihr Experiment machte international Schlagzeilen und so schilderte sie auch dem „St. Galler Tagblatt“ die erwähnte berührende Geschichte. Das Ergebnis ihrer Komplimente-Reise: Die Menschen, so Stark, zeigten sich oft irritiert, bis auf eine Ausnahme hätten sich aber alle gefreut. Und auch sie selbst habe sich toll gefühlt, weil sie anderen eine Freude machen konnte. Diese Wechselwirkung ist nun auch wissenschaftlich erwiesen.

Gutes Gefühl auf beiden Seiten

Was mit uns passiert, wenn wir ein liebevolles Kompliment oder aufmunterndes Lob erhalten, haben frühere Studien bereits gezeigt: Die Worte aktivieren die Belohnungs- und Empathieschaltkreise im limbischen System unseres Gehirns. Diese reagieren übrigens auch dann, wenn wir zum Beispiel unsere Lieblingsmusik hören, ein gutes Essen geniessen oder mit unseren Liebsten kuscheln. Dabei sorgen Botenstoffe wie das „Glückshormon“ Dopamin und das „Bindungshormon“ Oxytocin für gute, wohlige Gefühle. Schöne Komplimente rufen dieselben Glücksgefühle hervor und stärken unsere Beziehung mit dem Gegenüber. Sie sind tatsächlich ein wichtiges „Schmiermittel in der Gesellschaft“, wie es der deutsche Philosoph und Hirnforscher Gerhard Roth mal treffend formuliert hat.
Eine wissenschaftliche Studie des Universitätsklinikums Heidelberg und des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim hat im letzten Jahr ergeben, dass auch das Erteilen von Lob und die Antizipation – also das Wissen darüber, dass ich gleich mein Kompliment aussprechen werde – dieselben relevanten Hirnbereiche aktiviert. Heisst: Wenn ich meinen Liebsten ein Kompliment mache, steigert sich zugleich mein eigenes Wohlbefinden. Win-win! Eine weitere interessante Erkenntnis der Studie lautet: Wenn ich mir selbst eine positive Rückmeldung gebe, springt ebenfalls mein Belohnungssystem an. Wir dürfen uns also gern öfter selbst loben, damit es uns gut geht.

Movitationsbooster

Anerkennende Worte steigern nicht nur unser Wohlbefinden, heben unsere Stimmung und stärken unser Selbstwertgefühl, sie können nachweislich auch motivierend und leistungssteigernd wirken: Japanische Wissenschaftler liessen Probanden mit den Fingern Aufgaben auf einer Tastatur lösen. Die eine Gruppe wurde danach gelobt, die andere nicht. In der zweiten Übungsrunde zeigten sich die gelobten Teilnehmer viel kompetenter als die ungelobten. Und was die Arbeitswelt angeht, so ergab die internationale Studie „Motivating People, Getting Beyond Money“ der Unternehmensberatung McKinsey, dass Anerkennung und Lob durch die Chefetage genauso wichtig oder sogar wichtiger sind als ein höheres Gehalt. 67 Prozent der Teilnehmenden schätzten Lob durch Vorgesetzte als „sehr“ bis „extrem effektiv“ ein, um die eigene Motivation zu steigern. Selbst in uns Erwachsenen steckt noch immer das Kind, das von seinen Eltern gelobt werden will, könnte man sagen.

Das Komplimente-Problem

Apropos Kind: In unserer Kindheit lernen wir, mit Lob und Komplimenten umzugehen, dabei sind die Eltern ein wichtiges Vorbild. Lob ist das wichtigste Erziehungsmittel. Ein Zuviel oder Zuwenig kann die Selbstwahrnehmung des Kindes verbiegen. Im ers­teren Fall wird es überheblich und überschätzt seine Fähigkeiten, im letzteren Fall entwickelt es kein adäquates Selbstwertgefühl und könnte als Erwachsener regelrecht süchtig nach Anerkennung werden. Solche Menschen angeln gern nach Komplimenten („fishing for compliments“) oder umgeben sich mit lobhudelnden Schmeichlern. Der im letzten Jahr verstorbene Hirnforscher Roth verriet in einem Interview mit der „Zeit“, wie sein eigener Mittelweg bei der Kindererziehung aussah: „Ich habe versucht zu ermutigen, aber nie ungerechtfertigt zu loben. (…) Warum lobe ich? Einmal, wenn das Kind Fortschritte macht. Dann, wenn es sich über dem Altersdurchschnitt bewegt, und auch, wenn es sich grosse Mühe gemacht hat.“
Das schönste Kompliment nützt nichts, wenn das Gegenüber Probleme hat, es anzunehmen. Manche spielen es herunter („Ach, das ist doch nichts Besonderes“) und andere weisen es offen zurück. Die Gründe dafür sind vielfältig. Vielleicht stimmt das Kompliment nicht mit dem Selbstbild des Empfängers überein: Menschen mit einem geringen Selbstwertgefühl sehnen sich zwar nach Anerkennung, tun sich aber schwer damit, Komplimente anzunehmen. Oder das Gegenüber empfindet das Kompliment als zu abgedroschen oder stereotyp: „Du parkierst nicht schlecht für eine Frau“ wird der Fahrerin wohl kein Lächeln auf die Lippen zaubern. Auch Tagesform, Zeitpunkt und Situation können darüber entscheiden, ob das Kompliment wunschgemäss ankommt.

Der Komplimente-Knigge

Ein Kompliment sollte der Situation und dem Gegenüber angepasst sein. Liebende dürfen einander gern Komplimente über Po & Co. machen, der Chef seiner Mitarbeiterin jedoch nicht. Komplimente über das Äussere sind Fremden gegenüber schwierig, die Reaktionen entsprechend gemischt. Sie wirken dann, wenn man weiss, dass die Person sich gerade viel Mühe bei der Frisur, dem Make-up oder der Kleiderauswahl gegeben hat. Generell kommen nette Worte über das individuelle Verhalten oder die besondere Leistung besser an. Manipulative Komplimente als Mittel zum Zweck oder als Deal (nach dem Motto „Ich mach dir ein Kompliment, du machst mir eins zurück“) sind ein No-Go. Und wer ein Kompliment erhält, egal von wem, sollte stets eine Reaktion zeigen – sich zu bedanken reicht schon, sich zu freuen und die Wertschätzung zu geniessen, ist der Idealfall. Und der macht beide Seiten glücklich.

Beauty-ABC

„Betrachte Komplimente als Geschenke, die du deinem Gegenüber machst. Lass die Person entscheiden, ob sie dein Geschenk annehmen möchte.“

Dr. Doris Wolf, Diplom-Psychologin

wow Komplimente

  • Warme Dusche gefällig? Und damit ist nicht das Duschen mit warmem Wasser gemeint, sondern das Verteilen von Komplimenten.
  • Die Macht der Worte: Komplimente sollten nicht allein auf Äusserlichkeiten basieren, sondern auch die inneren Werte und Leistungen würdigen. Im privaten wie auch beruflichen Umfeld haben positive Worte eine kraftvolle Wirkung und können ungemein motivieren und das Wohlbefinden fördern.
  • Ins linke Ohr: Wenn wir jemandem das Kompliment ins linke Ohr sagen, bringt es mehr. Die Person kann es sich zu 70 % merken, beim rechten Ohr sind es nur 58 %. Grund: Linke Körperseite und rechte Gehirnhälfte (Sinnes­eindrücke) sind miteinander verbunden.
  • Lecker! Andere Länder, andere Sitten – das gilt auch für (nonverbale) Komplimente. Was wir hierzulande für unhöflich halten, gehört etwa in China zum guten Ton: Rülpsen und Schmatzen beim Essen signalisieren dem Gastgeber, dass es schmeckt.
  • Erkennen Sie den Song? Wenn man so will, bist du das Ziel einer langen Reise Die Perfektion der besten Art und Weise In stillen Momenten leise Die Schaumkrone der Woge der Begeisterung Bergauf, mein Antrieb und Schwung Ich wollte dir nur mal eben sagen Dass du das Grösste für mich bist. (Sportfreunde Stiller, „Ein Kompliment“)
  • Ganz schön international: Am 1. März 2003 wurde der Welttag der Komplimente von dem Niederländer Hans Poortvliet ins Leben gerufen. Er startete die Initiative, um mehr Positivität und Freundlichkeit in die Welt zu bringen. In den Niederlanden ist der Tag übrigens unter „Nationale Complimentendag“ bekannt.