BEAUTY&LIFE OKTOBER 2016 - page 10

BEAUTY
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LIFE
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OKTOBER 2016
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D
etox also. Mit sieben Frauen bin
ich – als einziger Mann sozusagen
Hahn im Korb – in einem Detox-
Seminar. Wir sitzen kreisförmig in einem
lichtdurchfluteten Yoga-Studio. Die Ärz-
tin, die das Seminar zusammen mit einer
Yoga-Lehrerin leitet, spricht einleitende
Takte zu der Detox-Woche, die uns allen
bevorsteht: „Und vergesst nicht, strikt
auf Kohlenhydrate zu verzichten: kein
Reis, keine Kartoffeln, keine Pasta – gar
nichts.“ Eine Woche lang Hunger? Ich
will hier weg.
DAS EXPERIMENT BEGINNT
Aber jetzt heisst es: mitgefangen, mitge-
hangen. Ich will mich diesem Experiment
bewusst ausliefern, möchte erforschen,
ob der versprochene Effekt eintritt. „Ein
frisches, vitales Körpergefühl“ – so hat
mir die Yoga-Lehrerin ihren Detox-Kurs
verkauft. Eine Art Verschnaufpause für
den Körper also. Und schliesslich sei
„Detoxen“ besonders an der Schwelle
zu einer neuen Jahreszeit anzuraten: Es
ginge nicht nur darum, den „Körper win-
terfest zu machen“. An Schwellen seien
wir auch besonders empfänglich für neue
Impulse und „können dann neue Erfah-
rungen auch auf der seelischen Ebene
verankern“, erklärt die Yoga-Lehrerin.
Den Körper entgiften: eine Woche lang keine
Kohlenhydrate. Dafür jede Menge grünes Gemüse
und Yoga. Das macht doch den stärksten Kerl
schwach, oder? Unser Autor wagt das Detox-
Experiment – allein unter Frauen. Und mit einem
überraschenden Ergebnis
Text: Philipp Hauner
DETOX?
O MA NN !
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Das klingt überzeugend. Doch es bleibt
die alles entscheidende Frage: Braucht es
Detox wirklich?
AN DETOX SCHEIDEN SICH DIE GEISTER
Darüber gehen die Meinungen stark
auseinander. Das Wort „Detox“ leitet sich
von „Detoxifikation“ ab und bedeutet
Entgiften. Genau hier schon scheiden
sich die Geister: Die eine Experten-
gruppe verweist auf die zunehmenden
Umweltgifte, die wir ständig inhalieren,
trinken oder essen. Sei es mit Antibi-
otika versetztes Fleisch, mit Fluorid
belastetes Wasser oder auch nur unsere
mit Feinstaub und Aluminiumpartikeln
verunreinigte Atemluft. Man muss nur
den renommierten Arzt Dietrich Kling-
hardt googeln, schon findet man etliche
Youtube-Videos, in denen er die Auswir-
kungen von Umweltgiften erklärt. Die im-
mer stärker steigende Zahl an Menschen,
die unter Allergien leiden, gibt ihm recht.
Aus dieser Sicht betrachtet, ergibt Detox
als Reinigungskur also durchaus Sinn.
Und dann gibt es die Optimisten: Sie
sagen, unser Körper sei stark genug,
auch eine höhere Schadstoffbelastung
zu meistern. Und dass diese Schadstoff-
belastung seit der flächendeckenden
Einführung von Katalysatoren insgesamt
»
gesehen sowieso zurückgegangen sei.
Entwarnung also. Die Ökotropholo-
gin und Ernährungsberaterin Nicole
Wagner gehört zu dieser Gruppe: „Der
menschliche Körper hat mit der Leber
ein natürliches Entgiftungsorgan, das für
fast jeden Giftstoff ein passendes Enzym
entwickelt hat. Den Begriff der bösen
Schadstoffe gibt es in der Medizin nicht“,
erklärt sie. Leber und Nieren seien als
unsere körpereigenen Detox-Organe völ-
lig ausreichend, Entgiftungskuren eher
überflüssige Quacksalberei.
GEMEINSAM DETOXEN MOTIVIERT
Genauso wie die Meinungen zu Detox
auseinandergehen, divergieren auch
die Konzepte. Es gibt Saftkuren, teure
Detox-Programme in Privatkliniken
und eben meine Entgiftungswoche im
Yoga-Studio. Für mich das Richtige,
denn wenn schon leiden, dann gemein-
sam. Der Anreiz, eine Saftkur einfach so
abzubrechen, wäre für mich zu hoch –
schliesslich würde es ja niemandem auf-
fallen. Neben dem kollektiven Element
gefällt mir auch der Do-it-yourself-An-
satz des Detox-Programms: Das heisst,
wir kochen alle Gerichte selbst, machen
Yoga und sollen lernen, uns selbst Gutes
zu tun.
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